Werbeanzeige im Freemail-Postfach keine unzulässige Werbung

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine Werbeanzeige im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Dienstes keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstellt (Urt. v. 15.01.2019 – 3 U 724/18).

Anders hatte es noch das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 22.03.2018 – 3 HK O 4495/17) gesehen: Da die Werbeanzeige wie eine E-Mail im Posteingang, eingereiht unter den E-Mails, dargestellt werde, seien die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt.

Das OLG sah die Voraussetzung der elektronischen Post für nicht erfüllt und greift auf die Definition der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück:

„Aus der Gesamtschau der in der Definition von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergibt sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider), welches die elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers übernimmt, vorliegt. Diese Bedeutung wird bestätigt durch Erwägungsgrund 44, der von einem elektronischen Postsystem – welches begriffsnotwendig die Möglichkeit von Kommunikation voraussetzt – spricht. Auch aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, Rn. 15 – Kundenzufriedenheitsbefragung).“

Rn. 68

Auch sei bei elektronischer Post die Übermittlung abgeschlossen. Hier allerdings werde die Anzeige von einem Adserver geladen.

Auch die Systematik und Sinn und Zweck spreche gegen eine Anwendung auf den hier vorliegenden Fall.

BGH: Kundenzufriedenheits-Umfrage ist Werbung

Der Versand von E-Mail-Newslettern wurde die letzten Monate fälschlicherweise immer im Rahmen der neu anwendbaren Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) problematisiert. Dabei ist dies weniger ein Problem des Datenschutzrechts als ein Problem des Wettbewerbsrechts – die Direktwerbung ist als berechtigtes Interesse im Rahmen des Art 6 Abs. 1. S. 1 lit f) DSGVO anerkannt, wie Erwägungsgrund 47 zeigt. § 7 UWG stuft aber Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne Einwilligung als unzumutbare Belästigung und damit als unlautere Handlung ein.

Eine aktuelle Entscheidung hierzu hat nun der Bundesgerichtshof getroffen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17): Danach ist auch dann der Tatbestand der Werbung erfüllt, wenn zwar per E-Mail eine Rechnung übermittelt wird, in dieser E-Mail aber zugleich eine Kundenzufriedenheits-Umfrage durchgeführt wird. Dies zeigt nochmals, wie schnell man als Versender von E-Mails unter den Begriff der Werbung fällt. Hier sollte man genau aufpassen, um sich nicht Unterlassungs- und Aufwendungsersatzansprüchen auszusetzen.

Der BGH stellt in dieser Entscheidung übrigens auch noch einmal etwas klar, was in der Praxis oft falsch gemacht wird: Der Empfänger einer solchen Werbung kann seine Ansprüche nicht auf das UWG stützen, da er weder Mitbewerber noch Verbraucherschutzverband nach dem Unterlassungsklagensgesetz ist. Sein Anspruch ergibt sich allein aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der BGH stellt in diesem Urteil aber auch klar, dass bei der Frage, ob ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB analog) vorliegt, die Regelungen des § 7 UWG im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung Berücksichtigung finden. § 7 UWG geht auf die EU-Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück und stellt die Umsetzung des Art. 13 dar. Im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung liege immer dann ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn ein Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie vorliege.

Update am 25.09.2018: Hinweis auf Richtlinie 2002/58/EG ergänzt

GWB-Novelle: Fusionskontrolle auch bei 400 Mio. Euro Kaufpreis

Das Bundeskabinett hat gestern eine Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschlossen. Die Novelle sieht eine ganze Reihe von Änderungen vor.

Wesentlichste Änderung ist, dass es künftig bei der Fusionskontrolle nicht nur darauf ankommen soll, welche Umsatzerlöse die beteiligten Unternehmen erzielen, sondern auch, welcher Kaufpreis für ein Unternehmen gezahlt wird. Damit sollen die Fälle erfasst werden, in denen die aufgekauften Unternehmen wenig Umsatz erzielen, aber einen sehr hohen Kaufpreis haben. Erfasst werden sollen also insbesondere die Übernahmen von Digitalunternehmen, die noch kein umsatzerzielendes Geschäftsmodell haben, aber als sehr hoch gehandelt werden, wie etwa WhatsApp. Facebook hatte im Jahr 2014 WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar gekauft, wobei WhatsApp selbst keinen hohen Umsatz erzielte.

Bisher regelt § 35 GWB, ab wann die Fusionskontrolle greift. Die beteiligten Unternehmen müssen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von 500 Mio. Euro erzielt haben (Abs. 1 Nr. 1) oder im Inland muss ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. Euro erzielt haben (Abs. 1 Nr. 2).

Der nun geplante Absatz 1a lautet:

„Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung,
wenn
1. die Voraussetzungen von Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2. mindestens ein beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem
Zusammenschluss im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro,
aber kein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von
mehr als 5 Millionen Euro erzielt hat,
3. der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen
Euro beträgt und
4. das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im
Inland tätig ist.“

Ab einem Kaufpreis von 400 Mio. Euro soll somit in Zukunft die Zusammenschlusskontrolle ebenso greifen.

Der Entwurf ist zu begrüßen, da er das Problem angeht, dass der Umsatz bei jungen Technologieunternehmen, die hoch gehandelt werden, aber noch kein Geld verdienen, als alleiniges Kriterium herangezogen wird. Diese Lücke im Wettbewerbsrecht soll nun geschlossen werden. Es ist damit zu rechnen, dass es in Zukunft noch weitere Übernahmen der großen Internet-Player Google, Microsoft, Apple und Facebook geben wird, die einen hohen Milliardenbetrag zahlen, um ihren Marktanteil weiter auszubauen. Derzeit gibt es heiße Gerüchte über die Übernahme von Twitter.

Den vollständigen Gesetzentwurf finden Sie hier.