„Fack ju Göhte“ nicht sittenwidrig

Dass sich die Wertvorstellungen geändert haben, sieht man auch immer wieder an Urteilen. Der EuGH hat nun entschieden, dass der Filmtitel „Fack ju Göhte“ nicht gegen die guten Sitten verstößt und deshalb als Marke eingetragen werden dürfe.

Nach Art. 7 Abs. 1 lit. f Unionsmarkenverordnung (UMV) dürfen Marken, die gegen die guten Sitten verstoßen, nicht eingetragen werden. Mit dieser Begründung verweigerte sowohl das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EuIPO) die Eintragung als auch das erstinstanzliche Gericht, das Gericht der Europäischen Union (EuG, Urteil vom 24.01.2018 – T-69/17).

Der EuGH hat nun entschieden (EuGH , Urteil vom 27.02.2020 – C-240/18 P), dass die Marke nicht gegen die guten Sitten verstößt. Er begründete dies damit, dass den ersten Teil des Films knapp 7,4 Millionen Zuschauer gesehen hätten und der zweite zu den größten deutschen Kinoerfolgen gehöre. Dies sei zwar nicht allein Ausdruck der gesellschaftlichen Akzeptanz des Titels, doch aber ein Indiz. Obwohl der Begriff „Fack Ju“ mit dem englischen Ausdruck „fuck you“ in Verbindung gebracht werden kann werde er vom allgemeinen deutschsprachigen Publikum nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen.

Das EuIPO muss nun erneut über die Eintragung entscheiden.

Werbeanzeige im Freemail-Postfach keine unzulässige Werbung

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine Werbeanzeige im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Dienstes keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstellt (Urt. v. 15.01.2019 – 3 U 724/18).

Anders hatte es noch das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 22.03.2018 – 3 HK O 4495/17) gesehen: Da die Werbeanzeige wie eine E-Mail im Posteingang, eingereiht unter den E-Mails, dargestellt werde, seien die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt.

Das OLG sah die Voraussetzung der elektronischen Post für nicht erfüllt und greift auf die Definition der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück:

„Aus der Gesamtschau der in der Definition von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergibt sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider), welches die elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers übernimmt, vorliegt. Diese Bedeutung wird bestätigt durch Erwägungsgrund 44, der von einem elektronischen Postsystem – welches begriffsnotwendig die Möglichkeit von Kommunikation voraussetzt – spricht. Auch aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, Rn. 15 – Kundenzufriedenheitsbefragung).“

Rn. 68

Auch sei bei elektronischer Post die Übermittlung abgeschlossen. Hier allerdings werde die Anzeige von einem Adserver geladen.

Auch die Systematik und Sinn und Zweck spreche gegen eine Anwendung auf den hier vorliegenden Fall.

BGH: Kundenzufriedenheits-Umfrage ist Werbung

Der Versand von E-Mail-Newslettern wurde die letzten Monate fälschlicherweise immer im Rahmen der neu anwendbaren Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) problematisiert. Dabei ist dies weniger ein Problem des Datenschutzrechts als ein Problem des Wettbewerbsrechts – die Direktwerbung ist als berechtigtes Interesse im Rahmen des Art 6 Abs. 1. S. 1 lit f) DSGVO anerkannt, wie Erwägungsgrund 47 zeigt. § 7 UWG stuft aber Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne Einwilligung als unzumutbare Belästigung und damit als unlautere Handlung ein.

Eine aktuelle Entscheidung hierzu hat nun der Bundesgerichtshof getroffen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17): Danach ist auch dann der Tatbestand der Werbung erfüllt, wenn zwar per E-Mail eine Rechnung übermittelt wird, in dieser E-Mail aber zugleich eine Kundenzufriedenheits-Umfrage durchgeführt wird. Dies zeigt nochmals, wie schnell man als Versender von E-Mails unter den Begriff der Werbung fällt. Hier sollte man genau aufpassen, um sich nicht Unterlassungs- und Aufwendungsersatzansprüchen auszusetzen.

Der BGH stellt in dieser Entscheidung übrigens auch noch einmal etwas klar, was in der Praxis oft falsch gemacht wird: Der Empfänger einer solchen Werbung kann seine Ansprüche nicht auf das UWG stützen, da er weder Mitbewerber noch Verbraucherschutzverband nach dem Unterlassungsklagensgesetz ist. Sein Anspruch ergibt sich allein aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der BGH stellt in diesem Urteil aber auch klar, dass bei der Frage, ob ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB analog) vorliegt, die Regelungen des § 7 UWG im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung Berücksichtigung finden. § 7 UWG geht auf die EU-Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück und stellt die Umsetzung des Art. 13 dar. Im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung liege immer dann ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn ein Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie vorliege.

Update am 25.09.2018: Hinweis auf Richtlinie 2002/58/EG ergänzt

AdBlock Plus: Nach OLG München zulässig

Das Oberlandesgericht München hat am 17. August 2017 entschieden, dass Eyeo seinen AdBlocker weiter vertreiben darf.

Es läge keine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a UWG vor, da keine keine Drohung mit einer rechtlich unzulässigen Handlung vorliege. Den Nutzern sei es schließlich nicht verboten, Werbung zu blockieren.

Auch eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG läge nicht vor.

Für einen Marktmissbrauch fehle es an der notwendigen Marktmacht.

Bestätigt hat hingegen der OLG, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis der klagenden Medienunternehmen Süddeutsche Zeitung, des Werbevermarkters IP-Deutschland uvon ProSiebenSat1 vorliegt.

Vorausgegangen waren Entscheidungen des LG München I, welche die Klage abgewiesen haben (Urt. v. 27.05.2015 – Az.: 37 O 11673/14 – ProSiebenSat1; Urt. v. 22.03.2016 – Az.: 33 O 5017/15 – Süddeutsche.de).

Die nächste Station dürfte der BGH sein.

Gute Zeichen für das Einheitspatent

Im Marken- und im Geschmacksmusterrecht gibt es es schon länger: die Unionsmarke und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, also ein einheitliches europäisches Schutzrecht, das bei einer europäischen Behörde, der EUIPO, eingetragen werden kann, und dann in der gesamten EU besteht.

Auf Patentebene ist dies noch nicht der Fall. Das Europäische Patent, das bisher existiert, ist ein sogenanntes Bündelpatent, d.h. man meldet es bei einer Behörde, z.B. dem Europäischen Patentamt (Art. 75 Abs. 1 lit. a EPÜ) an, danach zerfällt es aber in einzelne, nationale Patente und haben auch die Wirkung nationaler Patente (Art. 64 EPÜ).

Das sog. Einheitspatent (EPeW – Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung) ist schon seit längerem geplant.

Nun hat der Bundestag dem Vorhaben zugestimmt, leider zu so später Stunde, dass nur noch 35 von 630 Abgeordneten anwesend waren und deshalb umstritten ist, ob diese Zustimmung verfassungsrechtlich einwandfrei ist. Die Zustimmung ist daher zumindest angreifbar, was nicht hätte sein müssen, da das EPeW wohl auch bei der Anwesenheit einer größeren Anzahl Abgeordneter eine Mehrheit gefunden hätte.

Da das EPeW kein reines Patent der EU ist, sondern auch Nicht-EU-Staaten daran teilnehmen, wird auch Großbritannien trotz Brexit wohl zustimmen, wie die Regierung erklärt hatte.

Gut so. Ein einheitliches europäisches Patent ist für Unternehmen dringend nötig, um technische Innovationen einfach und kostengünstiger schützen zu lassen.

OLG München sieht keinen Verstoß bei Adblock Plus

Das OLG München hat heute im Berufungsverfahren in der mündlichen Verhandlung klargemacht, dass es keinen Rechtsverstoß von Eyeo, dem Anbieter von Adblock Plus, sieht. Das Berufungsverfahren hatten die Süddeutsche Zeitung, ein Werbevermarkter und ProSiebenSat1 angestrengt. 

Die Argumente sind deshalb interessant, weil die Richter durchaus eine Behinderung bejahten, aber darauf verwiesen, dass ein Verbot hier ultima ratio sei. Die Anbieter hätten andere Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, etwa durch die Einführung von Paywalls. Die Argumentation ist deshalb interessant, weil das Wettbewerbsrecht diese Verhältnismäßigkeitsprüfung so nicht kennt, allenfalls bei der Unlauterbarkeit könnte man hier argumentieren. 

Das Urteil darf mit Spannung erwartet werden und wird sicherlich bis zum BGH gehen.

Neue Informationspflichten ab dem 01.02.2017

Ab morgen (01.02.2017) gelten neue Informationspflichten für Unternehmer, die Verbrauchergeschäfte abschließen.

Das Gesetz, das diese Informationspflicht vorsieht, ist das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (VBSG).

Hier die §§ 36 und 37 dieses Gesetzes, die die Informationspflichten regeln:

§ 36 Allgemeine Informationspflicht

 (1) Ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich

  1. in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und
  2. auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten.

(2) Die Informationen nach Absatz 1 müssen

  1. auf der Webseite des Unternehmers erscheinen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält,
  2. zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden, wenn der Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.

(3) Von der Informationspflicht nach Absatz 1 Nummer 1 ausgenommen ist ein Unternehmer, der am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres zehn oder weniger Personen beschäftigt hat.

 

§ 37 Informationen nach Entstehen der Streitigkeit

 (1) Der Unternehmer hat den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer gibt zugleich an, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist. Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.

(2) Der Hinweis muss in Textform gegeben werden.

Unternehmer, die Verbrauchergeschäfte abschließen, müssen also:

  1. in ihren AGB und/oder auf ihrer Website (je nach dem, was der Unternehmer verwendet; hat der Unternehmer AGB und Website, dann muss er die Informationen in seinen AGB und auf der Website bereitstellen) angeben,
    • ob er an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilnimmt
    • und wenn er teilnimmt, Angaben zur Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle machen; sowie
  2. im Falle eines entstandenen Streits den Verbraucher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle in Textform hinweisen und angeben, ob der Unternehmer an einer solchen teilnimmt und wenn ja, an welcher.

Eine Liste der anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen befindet sich hier:

https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Verbraucherschutz/Liste_Verbraucherschlichtungsstellen.html;jsessionid=201A224A88CAC1AEECB534AFEA141A57.1_cid377?nn=7709020

Wenn der Unternehmer Online-Kaufverträge bzw. Online-Dienstverträge abschließt, ist er bereits seit längerem dazu verpflichtet, auf seiner Website leicht zugänglich einen Link zur ODR-Plattform der EU-Kommission bereitzustellen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von der neuen Verpflichtung zur Unterrichtung nach dem VSBG weiter.

Diese neue Verpflichtung wird ab morgen sicher eine neue Abmahnwelle auslösen.

GWB-Novelle: Fusionskontrolle auch bei 400 Mio. Euro Kaufpreis

Das Bundeskabinett hat gestern eine Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschlossen. Die Novelle sieht eine ganze Reihe von Änderungen vor.

Wesentlichste Änderung ist, dass es künftig bei der Fusionskontrolle nicht nur darauf ankommen soll, welche Umsatzerlöse die beteiligten Unternehmen erzielen, sondern auch, welcher Kaufpreis für ein Unternehmen gezahlt wird. Damit sollen die Fälle erfasst werden, in denen die aufgekauften Unternehmen wenig Umsatz erzielen, aber einen sehr hohen Kaufpreis haben. Erfasst werden sollen also insbesondere die Übernahmen von Digitalunternehmen, die noch kein umsatzerzielendes Geschäftsmodell haben, aber als sehr hoch gehandelt werden, wie etwa WhatsApp. Facebook hatte im Jahr 2014 WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar gekauft, wobei WhatsApp selbst keinen hohen Umsatz erzielte.

Bisher regelt § 35 GWB, ab wann die Fusionskontrolle greift. Die beteiligten Unternehmen müssen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von 500 Mio. Euro erzielt haben (Abs. 1 Nr. 1) oder im Inland muss ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. Euro erzielt haben (Abs. 1 Nr. 2).

Der nun geplante Absatz 1a lautet:

„Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung,
wenn
1. die Voraussetzungen von Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2. mindestens ein beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem
Zusammenschluss im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro,
aber kein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von
mehr als 5 Millionen Euro erzielt hat,
3. der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen
Euro beträgt und
4. das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im
Inland tätig ist.“

Ab einem Kaufpreis von 400 Mio. Euro soll somit in Zukunft die Zusammenschlusskontrolle ebenso greifen.

Der Entwurf ist zu begrüßen, da er das Problem angeht, dass der Umsatz bei jungen Technologieunternehmen, die hoch gehandelt werden, aber noch kein Geld verdienen, als alleiniges Kriterium herangezogen wird. Diese Lücke im Wettbewerbsrecht soll nun geschlossen werden. Es ist damit zu rechnen, dass es in Zukunft noch weitere Übernahmen der großen Internet-Player Google, Microsoft, Apple und Facebook geben wird, die einen hohen Milliardenbetrag zahlen, um ihren Marktanteil weiter auszubauen. Derzeit gibt es heiße Gerüchte über die Übernahme von Twitter.

Den vollständigen Gesetzentwurf finden Sie hier.